Über 2500 Teilnehmer in Sindelfingen fordern einen Kurswechsel der Bundesregierung

Veröffentlicht am 26.09.2010 in Arbeitsgemeinschaften

Kurswechsel für ein gutes Leben

"Gerechtigkeit geht anders, Frau Merkel", sagen die über 2.500 Gewerkschafter, die sich am 22.09.2010 im Glaspalast in Sindelfingen versammelt haben. Sie sind zusammengekommen, um in Baden-Württemberg ein erstes sichtbares und unüberhörbares Signal gegen die Sparpolitik der Bundesregierung zu setzen.
"Wir lassen uns von der schwarz-gelben Bundesregierung nicht so einfach in die Taschen greifen", rief IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann den Anwesenden zu. "Die Beschäftigten haben geholfen das Land und die Wirtschaft nahezu unbeschadet durch die Krise zu steuern. Dafür sollen sie jetzt noch bestraft werden. So geht das nicht, Frau Merkel und Herr Westerwelle!"
Hofmann forderte einen rigorosen Kurswechsel der Bundesregierung. "Die Verursacher der Krise sollen bitteschön endlich zur Kasse gebeten werden und die Suppe auslöffeln, die sie uns eingebrockt haben", so der Bezirksleiter. Es sei ungerecht und bremse auch die wirtschaftliche Erholung, wenn man die Sozialausgaben kürze. Hofmann: "Wer bei Arbeitslosen und Familien spart, würgt den Konsum und damit die Konjunktur ab. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Krisenlasten."
Erreichen will er dies durch eine stärkere Besteuerung hoher Vermögen und Einkommen. Das würde helfen die Lasten der Krise abzutragen und notwendige Investitionen in Zukunftsaufgaben wie Bildung und Innovation zu finanzieren. Außerdem sollten mit einer Finanztransaktionssteuer Spekulationen erschwert und die Krisenverursacher in Haftung genommen werden. Weiter forderte er eine Gemeindefinanzreform, um die Einnahmebasis der Kommunen zu stärken. Hofmann: "Es kann doch nicht sein, dass wegen Steuerentlastungen für Unternehmen, Spitzenverdiener und hoher Einkommen in unserem Land Bildungs- und Jugendeinrichtungen, Kultur- und Sportetats und Sozialeinrichtungen dem Rotstift zum Opfer fallen."
Missstände sieht Hofmann außerdem bei Ausbildung und Übernahme. "So lange nicht jeder Jugendliche eine Chance auf einen Ausbildungsplatz bekommt, darf keiner über den drohenden Fachkräftemangel jammern", so der Gewerkschafter. Ausbildung und Übernahme sei Pflicht für die Unternehmen, keine Kür.

Den Auswüchsen prekärer Beschäftigung will die IG Metall dagegen einen Riegel vorschieben und kritisiert den jüngst von Arbeitsministerin von der Leyen vorgelegten Gesetzentwurf. Hofmann: "Insbesondere Leiharbeit, aber auch alle anderen Formen prekärer Beschäftigung müssen verhindert, zumindest aber begrenzt und gestaltet werden. Der Grundsatz Gleiche Arbeit - gleiches Entgelt und Arbeitsbedingungen ist zwingend vom Gesetzgeber zu regeln."
Den heute vom Bundeskabinett in Berlin beschlossenen Plänen einer Gesundheitsreform erteilte Hofmann eine deutliche Absage. "Wenn die Bundesregierung und ihr Gesundheitsminister Rösler glauben, sie können die paritätische Finanzierung der Sozialversicherung endgültig zu Grabe tragen, werden sie auf unseren erbitterten Widerstand stoßen", kündigte er an. Statt den gesetzlich Versicherten immer mehr Kosten aufzuladen, sollte der Weg einer solidarisch, von allen nach ihrer Leistungsstärke finanzierten Bürgerversicherung eingeschlagen werden.
Der DGB-Landesvorsitzende Nikolaus Landgraf warf der Bundesregierung vor eine unsoziale Politik zu betreiben, "während gleichzeitig bereitwillig die Lobbyinteressen von Pharmakonzernen, Privatversicherungen und Energiekonzernen bedient werden." Er bezeichnete es als "pure Klientelpolitik", was die Bundesregierung zusammen mit den großen Energieunternehmen plane, um den bereits beschlossenen Atomausstieg wieder rückgängig zu machen. "Die Verlängerung der Restlaufzeiten alter, längst abgeschriebener Atommeiler soll den Energieriesen horrende zusätzliche Milliardengewinne in die Kassen spülen", so Landgraf. Die Laufzeitverlängerung sei keine energiepolitische Brücke, sondern eine Sackgasse.
Der Vorsitzende des Landesseniorenrates und Vizepräsident des VdK, Roland Sing, sieht in den nächsten 15 bis 20 Jahren Millionen von Menschen von Altersarmut bedroht, wenn nicht gegengesteuert wird. Verantwortlich seien dafür das sinkende Niveau der Nettorenten und die Beschlüsse zur Rente mit 67. "Die schrittweise Anhebung der Altersgrenzen bis zum Jahr 2029 bedeuten ein gewaltiges Rentenkürzungsprogramm", so Sing. Er forderte vielmehr, die Rahmenbedingungen für ältere Arbeitnehmer zu verbessern und nannte die Stichworte: Altersgerechte Arbeitszeiten und Entlohnung sowie Weiterbildung. Auch er hält einen Kurswechsel für längst überfällig, um die Schieflage in der Gesellschaft zu korrigieren.
Die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse wie Leiharbeit und befristete Verträge kritisierte die Wirtschafts- und Sozialpfarrerin Esther Kuhn-Luz von der Evangelischen Akademie Bad Boll. "Die Menschen, die in solchen unsicheren Beschäftigungsformen arbeiten müssten, brauchen diesen Kurswechsel ganz dringend", betonte sie. Denn wer in unsicheren und unwürdigen Arbeitsverhältnissen arbeiten müsse, "der hat auch ein unsicheres, oft unwürdiges Leben." Eine Strategie Zukunft, ein Kurswechsel für ein gutes Leben brauche aber gute Arbeitsbedingungen und Anerkennung für die Arbeit und den Menschen.

"Bildung ist das zentrale Instrument um Teilhabe in unserer Gesellschaft erst zu ermöglichen", so Verena Müller, die für die Studierenden zu den Konferenzteilnehmern sprach. Hierfür seien ein guter Schulabschluss und eine gute Ausbildung unerlässlich. Allerdings würden höhere Bildungsabschlüsse zunehmend an Bedeutung gewinnen. "Und gerade hier liegt das Problem: Von 100 Kindern aus Arbeitnehmerhaushalten schaffen es lediglich 24 an eine Hochschule. Gutes Leben heißt aber auch Gute Bildung und die darf eben nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen", kritisierte sie. Schuld daran sei ein stark ausgrenzendes Bildungssystem, das den Weg nach oben versperre. Deshalb brauche es einen Kurswechsel für die Zukunftschancen der jungen Generation. Sie forderte Studiengebühren endlich "auf den Müllhaufen der Geschichte" zu werfen, Übernahme nach der Ausbildung und "Weg mit Befristung, Leiharbeit und Praktika als Berufseinstieg.

 

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