
Klaus Barthel AfA Bundesvorsitzender
Deutschlandfunk – DLF-Magazin
18.12.2014 19:15 Uhr
SPD-CHEF GABRIELZunehmende Unbeliebtheit in den eigenen Reihen
BEITRAG HÖREN
Klaus Barthel, stellvertretender Ausschussvorsitzender:
"Es ist jetzt 14:03 Uhr. Ich muss anfangen, auch wenn noch nicht alle da sind."
Paul Löbe Haus, Deutscher Bundestag, vergangenen Montag. Der SPD-Abgeordnete Klaus Barthel ahnt, dass heute einiges auf ihn zukommen könnte.
"Ich darf Sie recht herzlich zur heutigen Anhörung zu CETA begrüßen."
Es ist eine schwierige Materie. Punkt für Punkt muss abgearbeitet werden, der Wirtschaftsausschuss des Bundestages will sich ein Bild darüber machen, was das geplante Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EZ alles Schlechtes bringen könnte mit Blick auf die Sozial- und Umweltstandards in Deutschland. Nüchtern und streng führt Barthel durch die Experten-Anhörung. EU-Kommission:
"Bei einer Zeitüberschreitung muss ich dann tätig werden."
Klaus Barthel ist Chef der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD - und die hat sich gerade erst ganz klar gegen jenes Abkommen mit Kanada gestellt, an dem der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kräftig mitverhandelt. Vor allem die geplante Schiedsgerichtsbarkeit ist dem Arbeitnehmervertreter vom linken SPD-Flügel ein Dorn im Auge. Pia Eberhardt, Vertreterin einer Brüsseler Anti-Lobby-Organisation spricht dem zweifelnden Sozialdemokraten da gerade aus der Seele:
"Wir haben in CETA eben nicht unabhängige Richter, die diese Klagen entscheiden werden, sondern wir haben ad hoc von den Parteien ernannte Privatpersonen, die mit Tagessätzen und Stundenlöhnen entlohnt werden. Bei CETA werden das 3.000 Dollar am Tag sein."
Wie soll es zu einer fairen, unabhängigen Rechtsprechung kommen, wenn so viel Geld im Spiel ist?, fragen sich viele Sozialdemokraten. Vattenfall gilt als Schreckszenario. Der Energieriese aus Schweden klagt gegen die Bundesrepublik Deutschland, will Entschädigung für finanzielle Einbußen, die sich aus einer politischen Entscheidung ergeben, die auf dem Mehrheitswillen der deutschen Bevölkerung basiert: sich aus der Kernenergie zu verabschieden.
"Die Frage, auf die sich jetzt alles konzentriert, ist: Was ist mit diesen Schiedsgerichten?"
Vielen ist Gabriel zu wirtschaftsfreundlich geworden
Bekräftigt Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender - auch jemand der große Bauchschmerzen mit CETA und TTIP hat, den geplanten Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA, die in seinen Augen den Schutz ausländischer Investoren zu sehr in den Vordergrund stellen - über Schiedsgerichte, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit stehen.
"Die Frage ist, was die dürfen. Und da ist natürlich für die SPD immer zentral, daneben, dass natürlich ein Primat der Politik herrschen muss. Es darf nicht so sein, dass ein großer Konzern sich durchsetzen kann gegen Parlamente!"
Der Arbeitnehmerflügel der SPD erinnert den Parteivorsitzenden daran, dass ein kleiner Parteitag im September erst jegliche Investor-Schiedsverfahren abgelehnt hat. Solche Beschlüsse dürften nun nicht uminterpretiert oder aufgeweicht werden - eine Spitze, die sich klar gegen den Wirtschaftsminister richtet, der kürzlich im Bundestag mit Blick auf die kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen mit Kanada eine überraschend klare Ansage gemacht hat.
"Wenn der Rest Europas dieses Abkommen will, dann wird Deutschland dem auch zustimmen!"
Das hört sich schwer nach Basta an und kaum danach, dass Gabriel seine Partei noch einmal fragen würde. Inzwischen musste er zurückrudern, hoch und heilig versprechen, dass natürlich zumindest ein kleiner Parteitag grünes Licht geben müsse. Andererseits macht der Vizekanzler wenig Hoffnung darauf, dass er die Schiedsgerichtsbarkeit noch rausverhandeln könnte.
"Nein! Und das werde ich auch meiner Partei sagen, die in Teilen eine andere Auffassung hat!"
Beliebt macht sich Gabriel mit solchen Worten in den eigenen Reihen nicht. Vielen ist er allzu wirtschaftsfreundlich geworden. Noch scheuen sich die Genossen vor direkter Kritik an Gabriel, als Gradmesser der Unzufriedenheit gelten vielen allerdings weiter die Jusos, die immer schon wenig zimperlich mit der eigenen Führung umgegangen sind. So singen sie beim Bundeskongress Anfang Dezember in Bielefeld nicht nur inbrünstig die Internationale, Juso-Chefin Johanna Ueckermann vertritt auch vehement sehr linke Positionen mit deutlichen Worten;