Beschäftigungspolitische Konferenz der IGM Region Stuttgart

Veröffentlicht am 21.02.2009 in Metropolregion

Beschäftigungspolitische Konferenz der IGM Region Stuttgart

Gegen Entlassung und für Qualifizierung sprachen sich am 20.02.2009 mit großer Mehrheit die 250 TeilnehmerInnen aus.

Sie folgten damit nach engagierter Diskussion der von der IG Metall Region Stuttgart eingebrachten Entschließung. Die BetriebsrätInnen sprachen sich darin für die Fortführung betrieblicher Berufsausbildung, die Übernahme nach Ausbildung und Studium, die Ausweitung von Weiterbildungmaßnahmen, die Verpflichtung der Banken zur Kreditversorgung der Realwirtschaft, den ökologischen Umbau, die Liquiditätssicherung durch Eigner und Gesellschafter und gegen eine Übernahme von Schulden durch den Staat aus.
Darüber hinaus gab es Beiträge zum Verhältnis von US-Immobilienkrise und Auswirkungen auf die Realwirtschaft (Prof. Dr. Heinz Bierbaum), Handlungsoptionen von Betriebsräten (Martin Schwarz-Kocher), Unterstützungsleistungen der Agentur für Arbeit (Eberhard Häfele) und Initiativen der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (Dr. Sabine Stützle-Leinmüller in Vertretung des erkrankten Dr. Walter Rogg.
Zahlreiche Info-Stände im Foyer zu den Themenfeldern Kurzarbeit, Qualifizierung, Beratung und Förderungen rundeten die beschäftigungspolitische Konferenz ab.

ENTSCHLIESSUNG der beschäftigungspolitischen Konferenz

Die US-Immobilienkrise hat sich zu einer globalen Wirtschaftskrise ausgeweitet. Ein
Zusammenbruch der Wirtschaft wurde durch Stützmaßnahmen, Bürgschaften und
mögliche Verstaatlichungen verhindert. Bislang bürgt jeder Bürger mit 6.000 € für die
Finanzwelt, die Banken und deren Aktionäre. Das neoliberale Konzept ist geschei-
tert. Die Deregulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte hat uns in die Krise geführt,
daraus müssen Konsequenzen gezogen werden.

Richtig sind Konjunkturprogramme, die lange Zeit verpönt waren. Ihre Wirkung zielt
aber zu wenig auf die Binnenkaufkraft. Der Blick auf die Beschäftigten kommt zu
kurz. Sie spüren die Krise als Entlassung von Leiharbeitern und Befristeten, als Abbau von Zeitkonten, in Form von Kurzarbeit und sie sind es, die vom Arbeitsplatzverlust bedroht werden. Beschäftigte finanzieren über Steuern und Einkommensverluste die Auswirkungen der Krise und müssen sich um ihre Zukunft sorgen.

Wir fordern deshalb, zusätzlich zum Sieben-Punkte-Programm* des IG Metall Vor-
standes:

1. Keine Entlassungen, da Tarifverträge und Arbeitsmarktinstrumente einen
umfangreichen Instrumentenkasten zur Überbrückung solcher Krisen bieten.

2. Fortführung der betrieblichen Berufsausbildung auf bestehendem Niveau.
Angebote der Unternehmen an Beschäftigte zur Freistellung für Vollzeitqualifizierung z. B. Studium. Abschaffung der Studiengebühren in Baden-
Württemberg.

3. Beschäftigungsperspektiven durch Übernahme nach Ausbildung und Studium. Dies sichert die Innovationsfähigkeit der Region.

4. Kurzfristige Ausweitung zusätzlicher Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen auch durch die Bundesagentur für Arbeit.

Die Anbieter beruflicher Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind auf-
gefordert handhabbare Angebote vorzulegen. Die Wirtschaftsförderung der
Region Stuttgart (WRS) soll dafür als regionale Anlaufstelle genutzt werden.

5. Wir erwarten von Landesregierung und WRS die Forderung der IG Metall zu
unterstützen, wonach die Banken zur Kreditversorgung der Realwirtschaft
verpflichtet werden. In dieser Krise muss gelten:
• Kein kaufmännisch vernünftiger Auftrag darf an der Vorfinanzierung
scheitern.
• Kein gesunder Betrieb darf wegen aktueller Liquiditätsengpässe in-
solvent gehen.

Die WRS hat Voraussetzungen zu schaffen, dass „kreditnot“-leidende Unternehmen unter den „Schutzschirm“ kommen können. Kurze Wege und Anlaufstellen (taskforce) sind dabei eine wichtige Voraussetzung.

Das für die Region Stuttgart wichtige Kfz-Cluster muss erhalten werden. Dazu ist ein effektives Clustermanagement notwendig und als regionale Industriepolitik auszubauen, dabei ist auch der notwendige ökologische Umbau der Gesellschaft zu berücksichtigen. Die Einbeziehung der betroffenen Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretern wird dabei als selbstverständlich unterstellt.

6. Anteilseigner und Gesellschafter müssen die aus dem laufenden Geschäft
entstehende Unterdeckung durch neue Einlagen bzw. Gesellschafterdarlehen
ausgleichen und damit Liquidität sichern.

7. Keine Übernahme von Schulden durch den Staat ohne eine Übertragung von Eigentumstiteln. Dies schließt das Übertragen von „faulen Krediten“ an staatliche oder teilstaatliche Finanzinstitute (bad bank) aus.

Bestehende Arbeitsverhältnisse müssen erhalten bleiben, ein weiterer Personalabbau muss verhindert werden.

Die Betriebe „fahren zur Zeit auf Sicht“. Alle betrieblichen Interessenvertreter sind
deshalb aufgefordert, in den Aufsichtsräten, Betriebsräten und Wirtschaftsausschüssen ein monatliches Berichtswesen zur Auftragslage und zur Unternehmensliquidität vom Unternehmen abzufordern – also auch „auf Sicht zu fahren“.

Wir fordern alle ArbeitnehmerInnen auf, die betrieblichen Angebote für Qualifizierun-
gen zu nutzen. Für den Bereich der Metall- und Elektroindustrie bietet der Tarifvertrag zur Qualifizierung von 2001 zusätzliche Möglichkeiten an. Die Arbeitgeber werden aufgefordert, personelle Kapazitäten zur kurzfristigen Vorbereitung von betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen freizustellen.

Werden, entgegen den derzeitigen Erklärungen, Massenentlassungen angekündigt oder sollte eine „Kreditklemme“ von Banken verursacht werden, wird die IG Metall die Beschäftigten zum Widerstand aufrufen.

Die Krise belastet uns bereits über unsere Steuern, die finanziellen Einbußen durch die zurückgegangene Beschäftigung, und viele LeiharbeitnehmerInnen
oder befristete Beschäftigte durch den erfolgten Arbeitsplatzverlust. Wir werden
die Lasten der Krise nicht auch noch durch massenhaften Beschäftigtenabbau zusätzlich tragen!

Fellbach, den 19. Februar 2009

 

Counter

Besucher:462098
Heute:45
Online:1