Missbrauch von Werkverträgen kein Kavaliersdelikt - 64. Ordentliche Bezirkskonferenz IG Metall Baden-Württemberg -

Veröffentlicht am 28.06.2013 in Arbeitsgemeinschaften

Sindelfingen - In immer mehr Betrieben müssten Betriebsräte einen zunehmenden Einsatz von Werkverträgen feststellen, beklagte IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann anlässlich der 64. Ordentlichen Bezirkskonferenz der IG Metall Baden-Württemberg vor rund 180 Delegierten und Gästen. Vielfach würden über diesen Weg auch Leiharbeiter in Betrieben für Tätigkeiten eingesetzt, die üblicherweise Stammbeschäftigte übernehmen würden.

Resolution

IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann: "Der Missbrauch von Werkverträgen ist kein Kavaliersdelikt. Arbeitgeber unterlaufen mit dieser Strategie gezielt Sozialstandards, betreiben Lohndumping und bedrohen Stammarbeitsplätze. Wir werden nicht tatenlos zuschauen, wie sich nach der Leiharbeit eine weitere prekäre Beschäftigungsform in die Stammbelegschaften frisst und sichere, dauerhafte Arbeitsplätze verdrängt."

Dringender Handlungsbedarf

Hofmann sieht dringenden Handlungsbedarf, um Betriebsräten mehr Kontrollrechte einzuräumen. Dabei sei insbesondere der Gesetzgeber gefordert. "Die bisherigen gesetzlichen Regelungen reichen für eine wirksame Kontrolle nicht aus." Auch würden Vereinbarungen, die den Einsatz von Werkverträgen im Betrieb regeln sollen, schnell an Grenzen stoßen. Zudem verweigert die Mehrzahl der Arbeitgeber solche freiwilligen Vereinbarungen. Hofmann: "Der Gesetzgeber ist in der Pflicht. Der Einsatz von Werkverträgen muss reguliert und die Kontrolle illegaler Arbeitsbedingungen durch Scheinwerkverträge durch den Bundeszoll verstärkt werden."

Beschäftigtenbefragung

Die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie fordern ebenfalls eine Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen. In einer Umfrage der IG Metall haben sich allein in Baden-Württemberg 91 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen. An der Befragung haben sich über 150 000 Beschäftigte aus dem Südwesten beteiligt, bundesweit über 500 000.
Dabei geben 99 Prozent der Befragten an, ein unbefristeter Arbeitsvertrag sei ihnen am wichtigsten. Insgesamt ebenso viele halten ein ausreichendes und verlässliches Einkommen für wichtig oder sehr wichtig. Mehr als ein Drittel macht sich Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz.

Gesundheitliche Belastungen nehmen zu

Während prekäre Beschäftigung ein zunehmendes Problem in der Industrie bleibt, nehmen die Belastungen am Arbeitsplatz zu. Über die Hälfte der befragten Beschäftigten fühlt sich bei der Arbeit gehetzt und unter Zeitdruck, fast 80 Prozent sagen, sie müssten immer mehr Arbeit in der gleichen Zeit bewältigen. In der Folge glauben schon heute rund 40 Prozent, sie würden sich den wachsenden Anforderungen ihrer Arbeit nicht mehr gewachsen sehen.

Den sich aus den Themen der Befragung ergebenden Handlungsbedarf will die IG Metall bis Herbst analysieren und dann in Maßnahmenpakete für die Betriebs- und die Tarifpolitik bündeln. So sollen auf einer Betriebsrätekonferenz des Bezirkes im Oktober Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden, die sich dann in betrieblichen Aktivitäten und im Wahlprogramm der IG Metall für die Betriebsratswahl im Frühjahr 2014 niederschlagen.
Tarifpolitisch soll die Große Tarifkommission bis Frühjahr 2014 ein tarifpolitisches Handlungsprogramm entwerfen, dessen Ergebnisse auch in qualitative Forderungen künftiger Tarifverhandlungen münden können.

Hofmann: "Die Breite der Befragungsergebnisse und die dadurch mögliche Auswertungstiefe erlaubt es uns, Handlungsbedarf bis auf einzelne Betriebe herunterbrechen zu können. Die Beschäftigten haben mit ihrer überwältigenden Teilnahme an der Befragung gezeigt, dass sie der IG Metall die entsprechende und notwendige Handlungskompetenz zuweisen. Jetzt müssen wir den Ball aufnehmen und die Beschäftigten auch an der Umsetzung beteiligen."

Entgeltentwicklung

Eine insgesamt positive Bilanz zog Hofmann für die Tarifpolitik der IG Metall. Es sei, trotz interner Kritik am Tarifabschluss, gelungen, die Reallöhne mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Jahren 2013 und 2014 für die Beschäftigten steigen zu lassen. Hofmann: "Damit führen wir die erfolgreiche Entgeltpolitik der IG Metall fort. Sie hat den Beschäftigten nicht nur einen Ausgleich der Inflationsentwicklung ermöglicht, sondern einen echten Zuwachs an Kaufkraft gebracht. Und sie hat den gesamtwirtschaftlich neutralen Verteilungsspielraum während der letzten 10 Jahre nicht nur ausgeschöpft, sondern überschritten." Dies gelte insgesamt aber nicht nur für die Metall- und Elektroindustrie, sondern auch auf die anderen Branchen, in denen in diesem Jahr bereits erfolgreich Tariferhöhungen erstritten worden seien. "Der Erfolg dieser Tarifpolitik ist der Erfolg unseres Engagements."

Übernahme der Auszubildenden

Ebenfalls ein Erfolg sei der im Mai 2012 vereinbarte Tarifvertrag Übernahme. Er regelt die Übernahme der Ausgebildeten in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie. Hofmann: "Das Ergebnis ist eindeutig: Erfolgten 2012 über 60 Prozent der Übernahmen nur befristet, wurden im Frühjahr 2013 nahezu 70 Prozent der Ausgebildeten Fachkräfte von ihrem Betrieb unbefristet übernommen. Das bedeutet, wir konnten den Trend durch den Tarifvertrag binnen eines Jahres umdrehen." Und entgegen der Schwarzmalerei der Arbeitgeber, habe dieses Mehr an Planungssicherheit für junge Menschen keinen einzigen Ausbildungsplatz gekostet.

Mitgliederentwicklung

Eine positive Bilanz zieht die IG Metall Baden-Württemberg auch mit Blick auf die Mitgliederentwicklung im letzten Jahr. Ende 2012 habe man 0,9 Prozent mehr Mitglieder im Bestand gehabt als ein Jahr zuvor, bei den Mitgliedern in den Betrieben sogar 1,5 Prozent. Fast 25 000 Neuaufnahmen standen Ende 2012 18 100 Austritte und Streichungen gegenüber. Von den Neuaufnahmen des vergangenen Jahres entfiel mit über 44 Prozent fast die Hälfte auf die Jugend. Für das laufende Jahr habe sich der Trend zwar etwas abgeschwächt, jedoch seien 18 der 27 Verwaltungsstellen bisher im Plus oder im Rahmen des anvisierten Mitgliederstandes. Und mit aktuell 417.000 Mitgliedern liege man 950 Mitglieder über dem Vorjahreswert für den Monat Mai, was einem Plus von 0,2 Prozent entspricht.

Hofmann: "Das zeigt, die IG Metall erfreut sich weiter einer wachsenden Beliebtheit bei den Beschäftigten. Sie haben Vertrauen in die Durchsetzungsstärke unserer Organisation und stärken uns den Rücken. Das ist ein positives Signal für kommende Auseinandersetzungen oder Meilensteine wie die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2014."

 

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