Für eine nachhaltige, Generationen- und Geschlechtergerechte Rentenpolitik

Veröffentlicht am 22.10.2012 in Arbeitsgemeinschaften

Antrag der großen Arbeitsgemeinschaften zur Rente

Für eine nachhaltige, Generationen- und Geschlechtergerechte Rentenpolitik

Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung war und ist die tragende Säule der Alterssicherung. Sie sichert bei langjähriger Vollzeitarbeit in der Regel ein auskömmliches Alterseinkommen, sie deckt die Risiken der Erwerbsminderung und der Hinterbliebenenversorgung ab und sie finanziert mit dem Reha-Budget gerade in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger werdende Präventionsleistungen zur Vermeidung von Frühverrentungen. Dies soll auch in Zukunft so bleiben.

Das tragende Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Beitragsbezogenheit. Die Rente im Alter spiegelt das Einkommen und den Verlauf der Erwerbsphase wider. Die gesetzliche Rentenversicherung kann aus Beiträgen Brüche in der Erwerbsbiographie, geringes Einkommen oder fehlende Strukturen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinreichend ausgleichen. Jeder gesellschaftspolitisch gewollte Nachteilsausgleich muss über Steuern und nicht über Beiträge finanziert werden. Diesen Grundsatz hat die SPD nach 1998 mit einem gestiegenen Bundeszuschuss weitgehend umgesetzt.

Die Finanzkrise hat es deutlich gemacht: während kapitalgedeckte Systeme ins Schlingern geraten sind bzw. deutlich hinter den Renditeerwartungen zurück blieben, hat die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung die Krise – wieder einmal - gut überstanden.

In den 90er Jahren haben die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und der daraus resultierenden Forderung nach Senkung der Lohnnebenkosten und über die vermeintlichen Vorzüge der kapitalgedeckten Systeme dazu geführt, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr die Lebensstandardsicherung, sondern die Begrenzung des Beitragssatzes zur bestimmenden Größe der Rentenpolitik wurde. Das Versprechen war, dass die Absenkung des Leistungsniveaus durch die Einführung der Riester-Rente und die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge mindestens ausgeglichen würde. Heute –
10 Jahre nach diesen Änderungen - wissen wir: Gerade diejenigen, die eine zusätzliche Altersvorsorge am nötigsten hätten, machen trotz überproportionaler Förderung in geringerem Umfang von der privaten Vorsorge Gebrauch als diejenigen mit höherem Einkommen. Zudem leiden die meisten Riester-Versicherungen an zu niedrigen Erträgen und hohen Verwaltungs- und Provisionskosten sowie den Gewinnansprüchen der Versicherer. Sie lohnen sich trotz staatlicher Zuschüsse für viele Versicherte nicht.

Selbst langjährige Vollzeitarbeit kann bei einer weiteren Absenkung des Nettorentenniveaus vor Steuern dazu führen, dass immer größer werdende Teile der Versicherten in die Nähe der Grundsicherung oder sogar darunter abrutschen. Damit verliert die gesetzliche Rentenversicherung als beitragsfinanzierte Pflichtversicherung ihre Legitimation.

Der DGB hat ein Finanzierungskonzept vorgeschlagen, das weder die junge noch die ältere Generation überfordert, das zur Abfederung der demographischen Herausforderungen eine Demographiereserve aufbaut, Leistungsverbesserungen ermöglicht und die Aussetzung der Rente mit 67 finanziert.

Unsere Ziele

Wir entscheiden heute über das Rentenniveau von morgen und übermorgen. Deshalb gibt es auch keinen Generationenkonflikt beim Beitrags- und Leistungsniveau. Es geht immer gleichzeitig um die Sicherung der Renten für die Älteren durch entsprechende Beiträge und Bundeszuschüsse sowie um den Aufbau und den Erhalt des Leistungsniveaus für die heute Erwerbstätigen.

Wir wollen die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung stärken und als tragende Säule der Altersvorsorge erhalten.
Dazu gehört, dass im Rahmen des im DGB-Konzept zur Verfügung stehenden
Finanz/Beitragsrahmens

1. das derzeitige Rentenniveau auch in Zukunft nicht unterschritten werden darf
(Niveausicherung),
2. die Rente mit 67 so lange ausgesetzt wird, bis mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und abschlagsfrei die gesetzliche Regelaltersgrenze erreichen,
3. Leistungsverbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente finanziert werden können.

Durch den Verzicht auf eine Senkung und eine frühere Anhebung der Rentenversicherungsbeiträge wird eine Demographiereserve aufgebaut, in die auch die rentennahen Jahrgänge einzahlen und somit die jüngere Generation künftig entlasten. Das Beitragssatzziel von höchstens 22 Prozent im Jahr 2030 kann mit diesem Finanzierungsmodell eingehalten werden. Zusätzliche Mittel werden dadurch frei, dass wir unter Wahrung des Vertrauensschutzes die staatlichen Förderungen für die Riesterrente und andere privaten Altersvorsorgemodelle auslaufen lassen und sie auf die gesetzliche Rentenversicherung konzentrieren.

Da es erfahrungsgemäß nicht möglich ist, über einen längeren Zeitraum Leistungs- und Beitragsniveau im Voraus zu berechnen, wollen wir gesetzlich Leitplanken festlegen, die nicht nur den Beitragssatz begrenzen, sondern ein Rentenniveau dauerhaft garantieren.

Gute Arbeit – gute Rente

Nur gute Arbeit sichert gute Renten. Für die Zukunft müssen deshalb die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt so verändert werden, dass alle, die es wollen, einer sozialversicherungspflichtigen und existenzsichernden Erwerbsarbeit nachgehen können.

Dazu gehören insbesondere:

• Gleiche Erwerbsbeteiligung und Aufstiegschancen von Frauen und Männern
• Ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 8,50 € mit entsprechender
Dynamisierung durch ein Verfahren, wie es der Gesetzentwurf der SPD-
Bundestagsfraktion vorsieht.
• Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung statt prekärer Beschäftigung, Ordnung auf dem Arbeitsmarkt durch Unterbindung von Scheinselbständigkeit (Eingrenzung

von Werkverträgen), Neuregelung im Bereich der geringfügigen Beschäftigung, usw.
• Gleicher Lohn für gleiche Arbeit zwischen Männern und Frauen
• Equal Pay und equal Treatment in der Leiharbeit
• Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter und! Väter, nicht
nur durch eine bessere Infrastruktur für die Kinderbetreuung, sondern auch durch
Arbeitszeitmodelle, die eine partnerschaftliche Teilung von familiärer Sorge einerseits und Beruf und beruflichem Aufstieg andererseits ermöglichen.
• Gute Arbeit durch Arbeits- und Gesundheitsschutz, Qualifizierung und dadurch
Erhalt der Arbeitskraft

Mit Solidarrente Nachteile ausgleichen

Der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Die Erwerbsbiographien sind vielfältiger und brüchiger geworden. Prekäre Beschäftigung in Form von kleiner Teilzeit, Niedriglöhnen, Leiharbeit und befristeter Beschäftigung nimmt zu. Die Arbeitsverdichtung nimmt zu und von alters- und alternsgerechten Arbeitsbedingungen sind wir weit entfernt. Die Gleichstellung von Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt ist immer noch keine Realität. Der Arbeitsmarkt ist zwischen Frauen und Männern gespalten: Existenzsichernde Vollzeit Erwerbsarbeit für Männer und schlecht bezahlte Teilzeit und Minijob's für Mütter. Auch die unterschiedliche Bezahlung von sog. typischen Männer- und Frauenberufen hat Auswirkungen auf das Sicherungsniveau im Alter. Die alte Rollenverteilung haben sich viele Frauen nicht ausgesucht. Und diejenigen, die lange Zeiten der Arbeitslosigkeit in ihrer Erwerbsbiographie zu verzeichnen haben, können dies nicht mehr im Nachhinein korrigieren.
Deshalb wollen wir
• bis zur Umsetzung des angemessenen Mindestlohnes die Rente nach
Mindestentgeltpunkten fortführen
• wenn danach weniger als 30 Entgeltpunkte vorhanden sind, die Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit entsprechend dem individuellen Erwerbsverlauf höher werten.

Darüber hinaus wollen wir in angemessenem und finanzierbarem Umfang Berücksichtigungszeiten auch auf die Eltern ausdehnen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Damit wollen wir gezielt den Müttern, die wegen der fehlenden Betreuungsinfrastruktur nicht Vollzeit arbeiten konnten, ihre Rentenanwartschaften verbessern. Diese Verbesserungen wollen wir über Steuern finanzieren. Über die Pflegeversicherung wollen wir sicherstellen, dass die Pflege von Angehörigen ähnliche Auswirkungen auf die spätere Rentenhöhe hat wie Kindererziehungszeiten. Künftig wollen wir die Zeiten für Kindererziehung und Pflege in Ost und West gleich hoch bewerten.

Mit diesen Maßnahmen werden die Renten von vielen Frauen, Geringverdienenden und Langzeitarbeitslosen deutlich höher gewertet.

Darüber hinaus werden wir eine 2. Stufe der bedarfsgeprüften Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit für diejenigen einführen, die auf eine lange Erwerbsbiographie zurück blicken können und mit ihren eigenen Rentenanwartschaften zusammen mit der Höherwertung der Zeiten der

Langzeitarbeitslosigkeit und der Rente nach Mindestentgeltpunkten die
Grundsicherungsschwelle nicht überwinden können. Ausgestaltung oder Eckpunkte

Erwerbsminderungsrente verbessern

Die gesetzliche Rentenversicherung sichert seit jeher nicht nur das Altersrisiko ab, sondern dient ebenso zur Absicherung bei Erwerbsunfähigkeit. Bei voller Erwerbsminderung nimmt die Erwerbsminderungsrente daher eine Lohnersatzfunktion ein. Doch mit der Einführung von sog.
„versicherungsmathematischen Abschlägen“ von bis zu 10,8 Prozent bei einem Bezug der Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres wurde die Lohnersatzfunktion dieser Rente massiv beeinträchtigt. Trotz verlängerter Zurechnungszeit liegt der durchschnittliche Zahlbetrag einer vollen Erwerbsminderungsrente spürbar unter dem der Altersrenten. Die im Jahr 2000 eingeführten Abschläge bei einer eintretenden Erwerbsminderung sind systematisch jedoch nicht zu rechtfertigen, da die Erwerbsgeminderten über keine individuelle Wahlmöglichkeit hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Einschränkungen und der daran anknüpfenden Rente verfügen. Weil sich jedoch viele Erwerbsgeminderte eine Erwerbsminderungsrente auf dem heutigen Niveau buchstäblich nicht leisten können, wird oftmals – trotz eindeutiger Diagnosen - auf Kosten der eigenen Gesundheit weitergearbeitet. Um diese problematischen Entwicklungen einzudämmen, sind Renten wegen voller Erwerbsminderung künftig in jedem Falle wieder ohne Abschläge zu gewähren.

Zurechnungszeiten müssen bis zum 62. Lebensjahr angehoben werden. Arbeitslose ab 60 Jahre mit Leistungsminderung, aber ohne Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente, sollen einen Anspruch auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommen. Das Erwerbsminderungsrisiko ist auch in der zweiten und dritten Säule der Alterssicherung zu einheitlichen Konditionen für die Versicherten abzusichern.

Übergänge vom Beruf in die Rente verbessern

Wir wollen die Übergänge vom Erwerbsleben in die Rente flexibilisieren.
Deshalb werden wir den Bezug von Teilrente bereits ab dem 60. Lebensjahr ermöglichen, wenn dadurch keine Bedürftigkeit entsteht. Die Zuverdienstgrenzen beim Bezug einer Teilrente wollen wir abschaffen.

Diese Möglichkeit des gleitenden Übergangs werden sich nicht alle leisten können. Deshalb wollen wir älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Leistungsfähigkeit gemindert ist, einen Rechtsanspruch auf Vermittlung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die ihren Möglichkeiten entspricht, gegenüber der Bundesagentur für Arbeit einräumen. Niemand soll mit Zwangsabschlägen in Rente gehen müssen.

Wir wollen zusammen mit den Tarifpartner die Rahmenbedingungen für Alters- und alternsgerechtes Arbeiten verbessern.

Mit der Zahlung von Zusatzbeiträgen zu jedem Zeitpunkt und sowohl von Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberseite ermöglichen wir tarifliche Vereinbarungen, mit denen erschwerte Arbeitsbedingungen durch die Zahlung von Zusatzbeiträgen durch den Arbeitgeber zur Vermeidung von Abschlägen bzw. für die Steigerung der Rentenansprüchen abgegolten werden können.

Erwerbstätigenversicherung

Wir wollen die gesetzliche Rentenversicherung schrittweise zu einer Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen weiterentwickeln. Nur so kann eine verlässliche Altersvorsorge bei unterschiedlicher werdenden Erwerbsverläufen sicher gestellt werden. Hierzu bedarf es aber auch langer Übergangszeiten, damit die Lebensplanungen von Menschen nicht zerstört wird. Wir wollen beginnen mit denjenigen, die sich neu selbständig machen und in keinem der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Versorgungssystem pflichtversichert sind.
Die Erweiterung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung ist die perspektivische Antwort auf eine veränderte Arbeitswelt und sorgt zudem für ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit, weil die unterschiedlichen Konditionen und Versorgungsniveaus der einzelnen Alterssicherungssysteme auf Basis einer lebensstandardsichernden Versorgung angeglichen werden können.

Betriebliche und private Altersvorsorge

Die gesetzliche Rentenversicherung ist die tragende Säule der Altersvorsorge und deckt auch das Erwerbsminderungsrisiko und die Hinterbliebenenversorgung ab. Das ist in der 2. und 3. Säule meist nicht der Fall. Beide private Säulen sind lediglich in der Lage die gesetzliche Säule zu ergänzen, können sie aber nicht (auch nicht teilweise) ersetzen. Zudem werden sie in der Regel nicht paritätisch finanziert.
Die Portabilität der Betriebsrenten müssen verbessert werden und die Kosten der Riesterrente müssen reduziert werden und vor allem im Sinne eines umfassenden Verbraucherschutzes transparent werden.

 

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