Mannheimer Erklärung: Sichere Arbeit – Gerechter Lohn - Ein Aufschwung für alle

Veröffentlicht am 15.02.2011 in Bundespolitik

Das SPD-Präsidium hat in seiner heutigen Telefonschaltkonferenz folgenden Beschluss gefasst:

Mannheimer Erklärung:

Sichere Arbeit – Gerechter Lohn - Ein Aufschwung für alle

Nach der Krise – Binnenkonjunktur stärken

Deutschland ist gut durch die Krise gekommen. Das ist das Verdienst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die hart dafür gearbeitet haben, dass die Konjunktur wieder anzieht. Das ist das Verdienst sozialdemokratischer Politik, die in der Krise mit aktiver Konjunkturpolitik gegengesteuert und mit dem flexiblen Einsatz der Kurzarbeit Voraussetzungen geschaffen hat, dass die Menschen in Beschäftigung und Fachkräfte in den Unternehmen geblieben sind. Und das ist das Verdienst der Tarifparteien, die alle verfügbaren Möglichkeiten genutzt haben, das Beschäftigungsniveau hoch zu halten.

Jetzt sind die Auftragsbücher wieder voll. Die Unternehmen machen gute Gewinne. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufschwung labil ist. Andere große Industrienationen haben die Krise noch lange nicht überwunden. Dies birgt hohe Risiken für die Nachfrage nach deutschen Produkten. Es wäre verfehlt, jetzt wieder ausschließlich auf die Exportstärke der deutschen Wirtschaft zu setzen. Die konjunkturelle Erholung wird nur dann ein dauerhafter und selbsttragender Aufschwung, wenn auch die Binnennachfrage gestärkt wird und sich die Wirtschaft insgesamt stark im Wettbewerb aufstellt. Eine zentrale Voraussetzung dafür ist, dass Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wieder hergestellt werden. Dazu gehören klare Regeln für die Lohnfindung und die Arbeitsorganisation.

Die derzeitige Bundesregierung hatte mehr Netto vom Brutto versprochen. Herausgekommen ist weniger Netto vom Brutto. Die Anhebung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung werden durch die Entlastung von lächerlichen drei Euro durch die Anhebung des Werbungskostenpauschbetrages nicht annähernd ausgeglichen. Viel schlimmer aber noch: Frau Merkel und ihr Kabinett leisten gar keinen Beitrag dafür, dass die Beschäftigten mehr „Brutto“ erhalten – als Voraussetzung dafür, dass auch mehr „Netto“ in der Tasche bleibt.

Gute Arbeit braucht Gerechtigkeit - Aufschwung für alle

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, angemessen am wirtschaftlichen Erfolg teilzuhaben. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Eine Stärkung der Kaufkraft ist aber auch ökonomisch notwendig. Damit aus der wirtschaftlichen Erholung ein selbsttragender Aufschwung wird, braucht unser Land klare Regeln auf dem Arbeitsmarkt, gerechten Lohn für gute Arbeit und die Stärkung einer neuen Qualität der Arbeit.

1. Gleiches Geld für gleiche Arbeit für Frauen und Männer

„Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ muss für alle Beschäftigten gelten, für Frauen und Männer. Der Skandal, dass Frauen bei gleicher Arbeit und Qualifikation im Durchschnitt immer noch weit über 20 Prozent weniger verdienen als Männer, muss mit einer gesetzlichen Regelung endlich beendet werden. Eine gesetzlich verbindliche Frauenquote von 40% für Aufsichtsräte und Vorstände ist ein weiterer wichtiger Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und auch ein Beitrag für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.

2. Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt

Arbeit braucht gerechte Regeln: Wir wollen unbefristete, Existenz sichernde und sozial abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse stärken. Das Normalarbeitsverhältnis muss entlang einer Erwerbsbiographie wieder zur Regel werden. Mittelfristig streben wir die soziale Absicherung aller Arbeitsverhältnisse an. Wir wollen den Missbrauch von Leiharbeit zu Lohndumping und Tarifflucht beenden. Es muss der Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ gelten, spätestens nach einer Einarbeitungszeit von 4 Wochen. Für verleihfreie Zeiten muss ein Mindestlohn festgelegt werden. Das Synchronisationsverbot ist wieder einzuführen. Wir wollen die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsverhältnisses abschaffen. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen brauchen Sicherheit für ihre Lebens- und Familienplanung und Einkommen, die nicht zu Altersarmut führen. Mini-Jobs und nicht Existenz sichernde Teilzeit dürfen nicht zur Beseitigung regulärer Beschäftigung, zum Lohndumping und zu Benachteiligung bei Qualifizierung und beruflichem Aufstieg missbraucht werden.

3. Starkes Tarifvertragssystem

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen einen gerechten Anteil am Aufschwung. Dafür brauchen wir starke Tarifverträge. Wir wollen deshalb die Tarifbindung und die Bedeutung des Flächentarifvertrages wieder stärken. Dies ist auch im Interesse der ehrlichen Unternehmen, die Wettbewerb über Qualität und Leistung wollen statt Lohndrückerei. Die Politik muss zunehmender Tarifflucht entgegentreten und per Gesetz dafür sorgen, dass Tarifverträge leichter allgemeinverbindlich erklärt werden können. Wir wollen die Tarifeinheit bewahren. Es wäre fatal, wenn in der Folge des Urteils des Bundesarbeitsgerichtes Interessenaufsplitterungen und Spaltungen in den Belegschaften zunehmen würden. Wir setzen uns für eine Regelung ein, die die richtige Balance zwischen Wettbewerb und Koalitionsfreiheit auf der einen und Stabilität und Rechtsklarheit für den Fall der Kollision mehrerer Tarifverträge auf der anderen Seite gewährleistet. Die gemeinsame Position der BDA und des DGB ist hierfür eine geeignete Grundlage.

4. Guter Lohn für gute Arbeit

Arbeit braucht gerechte Entlohnung: Wir wollen der Ausbreitung der Armutslöhne durch einen gesetzlichen Mindestlohn begegnen. Niemand darf in unserem Land weniger als 8,50 Euro brutto pro Stunde verdienen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU ab 1. Mai 2011 erhöht den Druck für einen solchen Schritt zusätzlich. Öffentliche Auftraggeber müssen dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Bei öffentlicher Auftragsvergabe müssen die Tariftreue und die Frauenförderung ein wesentliches Kriterium im Vergaberecht sein. Wir begrüßen ausdrücklich die verschiedenen Initiativen sozialdemokratischer Landesregierungen und Landtagsfraktionen für Landestariftreuegesetze. Bei öffentlichen Ausschreibungen dürfen nur solche Betriebe berücksichtigt werden, die sich an Tariflöhne halten, bzw. mindestens ein Entgelt von 8,50 Euro bezahlen, wenn Tariftreue aufgrund EU-Rechtsprechung nicht verlangt werden kann. Wir setzen uns auch für ein Bundestariftreuegesetz ein.

5. Mehr Qualifizierungsangebote für Beschäftigte

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen gerechte Bildungs-, Teilhabe- und Aufstiegschancen. Deutschland braucht eine Allianz für Fachkräfte. Jeder junge Mensch, der einen Beruf lernen will, muss dazu auch die Chance bekommen. Eine duale Berufsausbildung ist nach wie vor der beste Start ins Berufsleben. Wer eine Ausbildung gemacht hat, darf nicht mit Praktika oder befristeten Arbeitsverhältnissen abgespeist werden. Ausländische Abschlüsse müssen schnell und unbürokratisch anerkannt werden. Die SPD fordert einen ehrlichen Ausbildungspakt und einen Rechtsanspruch auf Ausbildung und Weiterbildung. Die berufliche Weiterbildung muss intensiviert werden. Sie muss faktisch so ausgestaltet werden, dass Teilzeitbeschäftigung und familiäre Pflichten kein Ausschlusskriterium mehr darstellen. Es müssen mehr Mittel für die aktive Arbeitsförderung bereitgestellt werden. Das Erfordernis von lebensbegleitender Weiterbildung erfordert die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Bildungszeiten.

6. Neue Qualität der Arbeit

Der Aufschwung muss für echte Fortschritte in der Qualität der Arbeitsbedingungen genutzt werden. Das weit entwickelte Arbeitsschutzrecht muss neuen Herausforderungen psychischer Belastungen am Arbeitsplatz und der zunehmenden Arbeitsverdichtung angepasst werden. Arbeit muss mit Leben und Familie vereinbar sein. Dazu muss die Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog vorlegen, statt nur an den guten Willen der Unternehmen zu appellieren. Die brachliegende Debatte über intelligente und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle muss wieder reaktiviert werden. Es geht darum, den Bedürfnissen der Beschäftigten über verschiedene Phasen des Erwerbslebens besser gerecht zu werden. Dazu bedarf es sowohl familiengerechter Arbeitszeiten im Betrieb, einschließlich der Möglichkeiten zur befristeten Reduzierung der Arbeitszeit. Wir wollen, dass Frauen und Männer Beruf und Karriere einerseits und familiäre Sorge andererseits partnerschaftlich miteinander vereinbaren können. Dazu brauchen wir sowohl den Rechtsanspruch auf (kostenlose) Kinderbetreuung und den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen sowie die Unterstützung der Pflegenden durch den Ausbau wohnortnaher Infrastruktur und Dienstleistungsangebote.

 

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