„Wir werden gebraucht“ 40 Jahre AFA

Veröffentlicht am 07.09.2013 in Arbeitsgemeinschaften

VORWÄRTS Kai Doering • 30. August 2013

40 Jahre AFA

„Wir werden gebraucht“

Sie ist die größte Arbeitsgemeinschaft der SPD. Am Samstag 31.08.2013 feiert die AFA, die AG für Arbeitnehmerfragen, in Duisburg ihr 40-jähriges Bestehen. Im Interview mit vorwärts.de spricht der Vorsitzende Klaus Barthel über Erfolge, Hartz IV und künftige Herausforderungen.

vorwärts.de: Fast sieben Millionen Menschen arbeiten in Deutschland für einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro. Rund 1,5 Millionen junge Leute haben keinen Schul- oder Berufsabschluss. Was läuft schief in unserem Land?

Klaus Barthel: In den vergangenen Jahren ist der Arbeit immer mehr Würde verloren gegangen. Viele Unternehmen versuchen, möglichst billig Arbeitskräfte zu beschäftigen. Der Druck auf die Arbeitnehmer nimmt immer weiter zu. Auf dem Arbeitsmarkt ist eine Situation entstanden, die wir uns vor einigen Jahren nie hätten vorstellen können. Ein Beispiel dafür ist die ausufernde Zahl von Werkverträgen. Die Reallöhne liegen auf demselben Niveau wie vor 20 Jahren. Es gibt viele Beschäftigte, die von ihrer Arbeit nicht leben können. Wenn man da keine Grenzen einzieht, vertieft sich der Graben zwischen Arm und Reich immer weiter.

Das Arbeitsleben „menschlich und demokratisch“ zu gestalten – mit diesem Ziel wurde vor 40 Jahren die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AFA) in der SPD gegründet. Sie scheint davon weiter denn je entfernt zu sein.

So scheint es, ja. Aber die AFA wurde 1973 in einer Zeit gegründet, in der die Situation auf dem Arbeitsmarkt eine völlig andere war als heute. Es herrschte nahezu Vollbeschäftigung. Die vorrangigen Ziele der Arbeitnehmer waren mehr Demokratie und Mitbestimmung im Betrieb. Im Laufe der Jahre sind die Arbeitnehmer aber immer weiter in die Defensive geraten. Plötzlich ging es vor allem darum, drohende Arbeitslosigkeit abzuwehren und sich gegen die Absenkung von Tarifen zu stemmen. Beschleunigt hat sich diese Situation seit Anfang der 90er Jahre. Ich möchte auch nicht verschweigen, dass es im Rahmen der Agenda 2010 Maßnahmen gab, die diesen Prozess noch verstärkt haben. Glücklicherweise hat die SPD mittlerweile dazu gelernt und denkt in vielen Bereichen anders als noch vor einigen Jahren. Die AFA hat hierzu sicher einen wichtigen Beitrag geleistet.

Hat die Zeit der AFA Recht gegeben?

Als die rot-grüne Bundesregierung an die Macht kam, war es international en vogue, zu deregulieren und die Arbeitsmärkte zu liberalisieren. Diesem Trend haben auch wir uns hingegeben. Die AFA hat von Anfang an vor Fehlentwicklungen gewarnt. Wir waren nicht gegen Reformen am Arbeitsmarkt, wie z. B. die gezielte Förderung. Ein Programm zur Einrichtung eines Sektors mit Niedriglohn und prekärer Beschäftigung wollten wir aber nicht. Das Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl greift genau diese Probleme auf und mahnt Verbesserungen an. Wir brauchen gesetzliche Korrekturen wie etwa den flächendeckenden Mindestlohn. Und die SPD muss glaubhaft vermitteln, dass sie aus den Fehlentwicklungen gelernt hat. Mit Klaus Wiesehügel für den Arbeitsmarktbereich im Kompetenzteam von Peer Steinbrück sehe ich da sehr gute Möglichkeiten.

Wo also steht die AFA im 40. Jahr ihres Bestehens?

Wir fühlen uns besser aufgehoben in der SPD als noch vor einigen Jahren. Das merken wir im persönlichen Umgang, aber auch daran, dass sich immer mehr Genossen für unsere Arbeit interessieren, Betriebsgruppen gründen und mitmachen wollen. Die Wahrnehmung der AFA hat sich deutlich verbessert. Unsere Forderungen werden sehr ernst genommen. Ein gutes Beispiel sind die Beschlüsse zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung. Da reichte die Unterstützung bis tief in die Ortsvereine, was sich auch beim Parteikonvent widergespiegelt hat. Und dank dieser Beschlüsse können wir nun mit einem ausgearbeiteten Rentenkonzept in die Bundestagswahl ziehen. Darauf sind wir als AFA durchaus stolz. Schade ist nur, dass das Konzept bei denjenigen, die es betrifft, nämlich den Arbeitnehmern, bisher noch nicht angekommen ist. Da müssen wir weiter Vermittlungsarbeit leisten.

Das Problem der Rente ist also vorerst gelöst. Der flächendeckende Mindestlohn soll kommen. Wo sehen Sie aktuell den meisten Handlungsbedarf?

Das ist ganz klar der Bereich des Arbeitsschutzes. Der ist bei den ganzen Abwehrkämpfen Gewerkschaften und Betriebsräte gegen den Abbau von Arbeitsplätzen deutlich zu kurz gekommen. Es geht dabei nicht so sehr um Unfälle am Arbeitsplatz – deren Anzahl nimmt ja glücklicherweise seit Jahren ab – sondern um Schutz vor körperlicher Überlastung und Stress. Wir müssen über unbequeme Haltungen am Arbeitsplatz sprechen, über Belastungen durch Nacht- und Schichtarbeit und die Entgrenzung von Arbeitszeiten. Die Arbeitsbedingungen müssen so gestalten sein, dass Arbeitnehmer auch tatsächlich bis 65 arbeiten können. Leider fehlen uns inzwischen auch Arbeitswissenschaftler und damit wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, was Stress auslösende Faktoren sind und was gegen sie getan werden kann.

Es bleibt also noch einiges zu tun für die AFA. Was wünschen Sie der Arbeitsgemeinschaft zu ihrem 40. Geburtstag?

Ich wünsche uns vor allem, dass wir viele interessierte Menschen gewinnen, die unsere Arbeit unterstützen. Die AFA ist ja die größte Arbeitsgemeinschaft innerhalb der SPD, weil jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer automatisch Mitglied bei uns ist. Ich würde mich freuen, wenn sich noch mehr Genossen bei uns engagieren und ihre Ideen einbringen. Das würde unser Gewicht innerhalb der Partei und in der Öffentlichkeit stärken und deutlich machen, dass die AFA gebraucht wird – mindestens auch in den nächsten 40 Jahren. Und die SPD tut gut daran, auch sichtbar zu machen, welche Rolle Arbeitnehmerinteressen für sie wieder spielen.

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